Der Einfluss der Eltern
Wie lernt ein Kind? Mit dem Nürnberger Trichter, den es sich auf den Kopf hält, damit das Wissen hineinrinnt? Durch Auswendiglernen, Hausaufgaben, Computer gestützt?
Die Wahrheit ist einfach. Kinder lernen durch Zusehen und Nachahmen. Und das tun sie ausgesprochen gerne. Sie wollen dabei sein, wenn die Erwachsenen etwas Interessantes machen.
Manchmal nahm mich mein Vater mit in seine Werkstatt im Keller. Er zeigte mir, wie man sägt, hämmert, hobelt, bohrt und leimt. Ich durfte die tollen Werkzeuge unter seiner Aufsicht ausprobieren. Das war das Schönste auf der Welt.
Kinder lernen durch Tun. Sie probieren aus, was sie sehen. Sie sehen, was die Großen machen. Wie wurde Mozart zum musikalischen Wunderkind? Er hatte einen Kapellmeister als Vater, der ihn förderte. Warum gibt es ganze Dynastien von Schauspielern? Weil man den Eltern nicht zusehen kann, ohne selbst mitspielen zu wollen. Warum liegt einem das Unternehmer Sein im Blut? Weil Unternehmer-Eltern einem zeigen, wie man Erfolg hat.
Machen Sie sich um Ihr Kind keine Sorgen. Was immer Sie selbst können oder sich erarbeitet haben, Ihr Kind wird darauf aufbauen. Was immer Sie selbst gerne tun, das wird Ihr Kind Ihnen nachmachen.
Erziehung braucht keinen Zwang. Man muss das Kind nicht in die gewünschte Richtung „ziehen“. Damit erzeugt man nur Widerstand. Die Kinder gehen ganz von allein. Wenn man sie lässt.
Leider hat jedes Modell auch Schwachstellen. Egal ob es sich um Autos, Maschinen, Kleider oder Menschen handelt – Alles, was älter als zehn Jahre ist, ist in der Wirtschaft ein Auslaufmodell. Die Entwicklung bleibt nicht stehen, die Menschheit hat es sich zur Aufgabe gemacht, alle Produkte ständig zu verbessern. Neue Werkstoffe, neue Ideen, neue Techniken und schon schaut alles anders aus.
Trotzdem gibt es ohne alte Modelle keine neuen. Neue Autos bauen auf dem Wissen auf, mit dem die alten gebaut wurden. Das Bewährte wird beibehalten, das Überholte verbessert. Der Verbrennungsmotor läuft immer noch, nur die Abgaswerte sind besser.
Wir Eltern sind die alten Modelle. Aus unseren Erfahrungen lernen die Kinder, was sich bewährt hat und was man besser machen kann. Erfolgsrezepte werden sie übernehmen, an den Problemen weiterarbeiten, bis sie eine bessere Lösung finden.
Gute Eltern sind durchschaubar, begreifbar, nachahmbar, kritisierbar. Wenn Ihr Kind Sie kritisiert, dann freuen Sie sich, denn es ist gerade dabei, einen besseren Weg zum Ziel zu suchen. Erzählen Sie viel aus Ihrem Leben, von Ihren Siegen und Niederlagen. Jede Erfahrung, die Sie an Ihr Kind weiterreichen, ist Material, aus dem es lernen kann.
Gute Modelle, schlechte Modelle, falsche Modelle, keine Modelle – der Stafettenlauf der Generationen hat viele Gefahren. Denn oft wird das Falsche weitergegeben. Wenn uns unsre Kinder nicht gefallen, sollten wir überlegen, was wir ihnen beigebracht haben.
Aggressive Kinder zum Beispiel sind unbeliebt, werden ausgegrenzt, fliegen von der Schule, spielen böse Computerspiele, sind eine Schande für Eltern und Nachbarschaft. Warum gibt es so viel Aggression unter Kindern, wenn wir solches doch nicht haben wollen? Aggression entsteht durch aggressive Modelle. Davon gibt es leider mehr als genug: Soldaten, Mörder, Gewalttäter, schlagende Eltern, Generäle, Diktatoren, Unterdrücker, Kriegsparteien, Menschenhändler, Folterknechte, Terroristen, Amokläufer, enthemmte Alkoholiker. Aggressive Kinder wiederholen, was sie sehen – eine Welt, deren Geschichte immer noch mit Blut und Tränen geschrieben wird. Friedfertige Kinder brauchen eine gewaltfreie Erziehung in einer gewaltfreien Gesellschaft. Afghanistan, Somalia, Palästina – dort züchten wir die Gewalttäter von morgen.
Eine offene Gesellschaft, in der Modelle hinterfragt werden dürfen, bietet die Möglichkeit zur Verbesserung. Dunkle Schatten der Vergangenheit müssen ans Licht, damit sich die Fehler der Geschichte nicht wiederholen. Noch nach drei Generationen fällt es uns schwer, die Gewalttaten von SS, SA und Wehrmacht ohne Vorbehalte zu ächten, ist Verdrängen immer noch leichter als Hinschauen. Wer wegschaut, hält den Kreislauf der Gewalt in Gang. Eine Nation, die ihre Urbevölkerung bedenkenlos ausgerottet hat und dies für rechtens erklärt, kann nicht verstehen, warum manche Völker den „Segen“ westlicher Kultur nicht annehmen wollen. Wer Randgruppen ausgrenzt, kann nicht verstehen, warum diese sich partout nicht integrieren wollen. Wer süchtig nach Geld und Gier ist, kann nicht verstehen, warum unseren Kindern höhere Werte abhanden kommen.
Modellernen ist ein Dialog zwischen wissenden Eltern und lernenden Kindern, mit dem Ziel, das Modell zu verbessern. Unsere Kinder sind wie ein Spiegel, der uns vorgehalten wird. Darin können wir uns selbst erkennen, wenn wir dies denn wollen. Unsere Familienregeln sind ein Lernprojekt, ähnlich einem wissenschaftlichen Forschungsprogramm. Theorien, die nicht funktionieren, werden verworfen; Ideen, die sich bewähren, verändern die Welt.
So gesehen, lernen wir Eltern durch unsere Kinder, da uns diese zwingen, Erfolg und Misserfolg unserer Prinzipien täglich zu überprüfen. Klingt anstrengend, ist es aber nicht. In Wirklichkeit macht Lernen Spaß und Erfolg süchtig. Unsere Kinder sind wie Messgeräte, deren feine Sensoren signalisieren, wohin die Entwicklung geht. Was funktioniert, ist gut, was nicht klappt, landet auf dem Müllhaufen der Geschichte. Dort liegt schon viel herum: die militaristische Erziehung unserer Großeltern, die antiautoritäre Erziehung der 68-er, das elitäre Denken der Oberschicht, Rassenwahn, religiöser Fanatismus. Es gibt so viel, was wir unseren Kindern besser nicht beibringen sollten.
Wenn die Fehler der Familiengeschichte zu zahlreich waren, haben Eltern Angst, überhaupt Modell zu sein. Das schadet aber auch, denn wir dürfen uns nicht drücken. Besser ein schlechtes Bild als gar keins. Besser Fehler, die man erkennen kann, als im Dunkeln zu tappen. Jeder hat seine Persönlichkeit und sollte dazu stehen; hat sein Wertsystem gut überlegt, setzt Handlungen nicht ohne Grund. Das Verhalten der Eltern zeigt einen Weg, den man gehen kann, aber nicht muss. Wenn die Modelle offenliegen, sind sie wie Bücher, in denen die Kinder lesen. Sie machen sich ihren Reim auf unser Tun, entscheiden sich für das, was sie brauchen können.
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