Wohin mit Ängsten und Zwängen?

Angst ist ein Überlebensmechanismus aller Tiere, um ihren Fressfeinden zu entkommen. Schon vor 500 Mill Jahren jagte das erste Raubtier Anomalocaris die Trilobiten. Seitdem haben alle Tiere ein Alarmsystem, das bei Erkennen einer Gefahr reflexartig zu drei Reaktionen führt:

  • Wird ein Räuber erkannt, stellt sich das Tier als erstes tot, um übersehen zu werden.
  • Nähert sich der Räuber, löst dies den Fluchtreflex aus.
  • Ist eine Flucht nicht möglich, greift jedes Tier den Räuber an und verteidigt sich.

Diese Abfolge kann jeder Hundebesitzer beobachten, wenn sich der Hund einem Feldhasen nähert. Der duckt sich zuerst, läuft dann weg, wird er eingeholt, teilt er Schläge aus und jagt damit einzelne Haushunde normalerweise in die Flucht.

Woher kommen Angst und Stress?

Auch Urmenschen handelten ähnlich, sie hatten zusätzlich noch die Möglichkeit, auf einen Baum zu klettern. Die Amygdala im Gehirn steuert den Angstreaktionsablauf: Zuerst wird der Körper mit Adrenalin auf maximale Leistung hochgefahren, wenn die Flucht erfolgreich war, ist das Adrenalin nach wenigen Sekunden wieder abgebaut. Urmenschen waren daher selten länger als 15 Minuten gestresst, dafür ist unser System gebaut.

Beim modernen Menschen wird es kompliziert. Die Amygdala prägt über den Hippocampus alle Gefahrensignale ins Großhirn ein und jeder Mensch hat auf Grund seiner Lebensgeschichte bald tausende Reize, die einen Angstalarm auslösen können. Besonders schlimm wird es, wenn der Reizauslöser nicht eindeutig erkennbar abgespeichert wird. Dann speichert das Großhirn alle möglichen unspezifischen Signale als Gefahr ab. Traumatisierte Menschen oder Menschen mit einer belasteten Kindheit werden daher fast ständig von Angstreflexen gehetzt. Das macht krank, weil der Körper dann noch Cortisol ausschüttet, um die Dauerbelastung auszuhalten. Cortisol schädigt auf Dauer die Organe, das weiß jeder, der über lange Zeit Cortison einnehmen muss.

Angststörungen sind daher zurzeit die häufigste psychische Erkrankung, die bald die Gelenksschmerzen als häufigster Krankenstandsgrund ablösen wird. Sie zeigt sich in verschiedenen Formen: Panikattacken, Phobien, Zwangsstörungen, Depression und psychosomatische Funktionsstörungen. Diese Symptome lassen sich auf die Angstreflexe der Tiere zurückführen.

Flucht: Man versucht, sich der Gefahr zu entziehen und vermeidet sie. Phobiker werden panisch wenn sie sich der Gefahr nicht entziehen können, steigen etwa in kein Flugzeug, keinen Lift, klettern auf keinen Berg oder halten keine Vorträge.

Erstarren: Jede Bewegung wird eingestellt, damit die Gefahr vorüberzieht. Depressive verlassen ihr Bett oder ihr Haus nicht und stellen alle Aktivitäten ein.

Kampf: Bei Zwängen versucht der gestresste Mensch verzweifelt, seiner Gefahr Herr zu werden, meist mit stereotypen Ritualen, die immer wieder wiederholt werden. Wer Angst hat, dass in seiner Wohnung Feuer ausbricht, muss oft bis zu 100 Mal alles im Haus kontrollieren, was brennen könnte. Im Extrem hat er für nichts anderes mehr Zeit als für seine Kontrollzwänge.

Dauerstress durch extreme oder anhaltende ständige Traumatisierung: Die funktionellen Körperabläufe werden durch dauernd erhöhten Cortisol-Spiegel gestört und schließlich einzelne Organe geschädigt.

Ängste und Zwänge sind bis zu einem gewissen Ausmaß normal, ja sie retten einem sogar das Leben. Der gesunde Mensch lernt, mit den Gefahren umzugehen und seine Ängste zu bewältigen. Die derzeitige Lawinengefahr ist ein gutes Beispiel dafür. Die meisten Menschen vermeiden, in Lawinenhänge zu fahren und das ist sehr vernünftig. Extremskifahrer üben so oft im Gelände und entwickeln dabei so viel Geschick und Gefahreneinschätzung, dass sie am Ende sogar unverletzt vom Mt. Everest abfahren können.

Es gibt dabei 2 Extreme: Extrem Mutige, die ihr Können überschätzen. Die sterben oft sehr schnell, wie man in den letzten Tagen gesehen hat.

Extrem Ängstliche, die schon Schweißausbrüche bekommen, wenn sie nur an eine normale, gesicherte Skipiste denken.

Angststörungen werden geheilt durch ein mittleres Maß an Gefahrentraining. Wer in kleinen Schritten sich der befürchteten Gefahr annähert, bekommt nach etlichen Versuchen seine Angst in den Griff.

Besonders schwierig sind allerdings Panikattacken  und Depressionen zu heilen, da der Patient überhaupt nicht weiß, wovor er Angst hat. Er fürchtet sich daher vor allem und jedem, die Panik kann ihn jederzeit plötzlich überfallen. Hier müssen die unbewussten Auslöser in einer längeren Psychotherapie aufgespürt werden, stammen meist aus der eigenen Kindheit oder der eigenen Familiengechichte. Tiefenpsychologisch orientierte Verfahren sind hilfreich, ein besonders rascher Weg, den versteckten Grund der Angst zu finden, sind fachgerecht geleitete Familienaufstellungen, wenn sie von einem klinisch erfahrenen Psychologen, Psychotherapeuten oder Psychiater durchgeführt werden.

Wer über längere Zeit von Ängsten und Zwängen geplagt wird, sollte daher einen dieser Fachleute aufsuchen und sich helfen lassen. 

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